Jun 15, 2022 | Privates Baurecht

Schlussrechnung ohne Aufmaß – dennoch erhält der Unternehmer seine Vergütung!

In der Beratungspraxis zeigt sich immer häufiger, dass Auftraggeber Forderungen des Auftragnehmers mit der Begründung zurückweisen, dass eine prüffähige Schlussrechnung oder das dazugehörige Aufmaß fehlen würde. Dies betrifft Bauverträge, die den Einbezug der Regelungen der VOB/B beinhalten.

Es gibt Geld auch ohne Aufmaß

Die Begründung, es läge ein Verstoß gegen § 14 VOB/B vor, weshalb die gesamte Rechnung oder einzelne Abrechnungspositionen nicht bezahlt werden, ist in vielen Fällen unbegründet.

Der Auftragnehmer ist nur und ausschließlich insoweit zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet, wie es für die Nachvollziehbarkeit der abgerechneten Positionen innerhalb der Schlussrechnung für den Auftraggeber erforderlich ist (BGH 22.11.2002 AZ: VII ZR 168/00). Dies gilt insbesondere für den Fall, wenn ein Architekt eingeschaltet ist oder es sich um einen qualifizierten Bauherren handelt – in diesen Fällen kann der Umfang der vorzulegenden Abrechnungsunterlagen deutlich geringer sein als beispielsweise bei einem privaten Bauherren.

Maßgeblich für den Umfang der vorzulegenden Unterlagen ist allein die Tatsache, dass der Auftraggeber oder sein Beauftragter Architekt die abzurechnenden Positionen bzw. die Schlussrechnung vollständig prüfen und nachvollziehen kann. Sofern die Ausführungsplanung ohnehin vom Auftraggeber bzw. Architekten stammt oder er über sämtliche relevanten Pläne verfügt, genügt die prüffähige Rechnung ohne Vorlage eines vollständigen Aufmaßes.

Ein Aufmaß ist daher in überwiegenden Fällen entbehrlich, wenn der Auftraggeber die Abrechnung vor Ort selbst prüfen und nachvollziehen kann (OLG Celle 09.11.1994 AZ: 13 U 223/93).

Der Auftraggeber muss zumindest Teilzahlungen leisten

Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, aufgrund etwaiger Einwendungen die gesamte Schlussrechnung liegen zu lassen und eine Zahlung zu verweigern. Der Auftraggeber hat die Pflicht, die Schlussrechnung zu prüfen und zumindest hinsichtlich der aus seiner Sicht korrekten Abrechnungspositionen Zahlung zu leisten. Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, die gesamte Abrechnung aufgrund fehlender Unterlagen oder aufgrund eines fehlenden Aufmaßes zurückzuweisen.

Fälligkeit der Schlussrechnung auch ohne Aufmaß

Das Aufmaß oder eine gemeinsame Leistungsfeststellung ist nicht Fälligkeitsvoraussetzung einer Abrechnung. Ein gemeinsames Aufmaß ist keine zwingende Voraussetzung, damit der Auftragnehmer seinen Vergütungsanspruch durchsetzen kann. Die Fälligkeit der Forderung tritt auch ohne Aufmaß ein.

Die entsprechende Gesetzesformulierung innerhalb des § 14 Abs. 2 VOB/B ist dahingehend formuliert, dass die Fälligkeit der Abrechnung selbst nicht an eine gemeinsame Leistungsfeststellung oder ein Aufmaß geknüpft ist.

Handlungsempfehlung und Praxistipp – Das müssen Auftragnehmer beachten!

Sofern dies für Auftragnehmer möglich ist, sollte stets eine transparente und für jedermann verständliche Abrechnung erfolgen. Dies beinhaltet grundsätzlich auch die Erstellung eines Aufmaßes. Die kritischen Fälle sind stets diejenigen, in denen eine Mengenermittlung oder ein Aufmaß nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich ist.

Hier sollten Auftragnehmer wissen, dass sie dennoch einen Vergütungsanspruch haben, der sich auf die tatsächlich aufgeführten Massen bezieht.

Bei einem Vertrag unter Einbeziehung der VOB/B gilt für die Fälligkeit eine Frist von 30 Tagen ab Zugang der Schlussrechnung gemäß § 16 Abs. 3 Nr.1 VOB/B. Innerhalb dieser Frist ist der Auftraggeber berechtigt, die Prüffähigkeit in qualifizierter Weise zu rügen. Eine pauschale Zurückweisung oder Behauptung, die Schlussrechnung wäre nicht prüffähig, genügt nicht.

Sofern der Auftraggeber die Prüffähigkeit der Schlussrechnung bestreitet, ohne sich konkret auf Einzelheiten innerhalb der Abrechnung zu berufen, handelt es sich um eine pauschale Behauptung, die unberücksichtigt bleiben kann.

Die Schlussrechnung aus dem Vertragsverhältnis kann auch aus einzelnen Rechnungen bestehen. Nicht erforderlich ist es, dass die Schlussrechnung aus einer einzigen Abrechnung besteht, diese kann sich vielmehr auch aus Einzelrechnungen zusammensetzen. Maßgeblich hierbei ist sodann jedoch, dass die jeweiligen Rechnungen die Ansprüche des Auftragnehmers erkennbar abschließend wiedergeben.

Autor: Finn Streich

Rechtsanwalt und Partner

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