Aug 3, 2022 | Privates Baurecht

Bauverzögerung Rechte des Bauherrn während der Bauphase

Private Bauherren müssen regelmäßig feststellen, dass sich das geplante Bauvorhaben nicht nur zeitlich verzögert und später fertig gestellt wird, sondern hierdurch auch in vielen Fällen teurer wird.

Herr Rechtsanwalt Finn Streich wurde befragt, was der Hintergrund ständiger Bauverzögerungen ist und worin die heutigen Risiken für den Bauherrn bei Abschluss eines Bauvertrages mit einem Bauunternehmer liegen, hier ein Auszug aus dem Interview mit Herrn Rechtsanwalt Finn Streich aus dem Arbeitskreis: „Rechte des Bauherrn während der Bauphase“

Worin liegt das Hauptrisiko für den privaten Bauherrn und warum verzögern sich die Bauabläufe?

Im Rahmen unserer Beratungspraxis müssen wir immer wieder feststellen, dass viele Bauunternehmen an private Bauherren herantreten, um die Wunschimmobilie des Bauherrn zu realisieren. Die Vertragsgespräche laufen überwiegend einvernehmlich und in guter Stimmung. Problematisch wird die Umsetzung des Bauvorhabens regelmäßig dann, wenn der ursprünglich geplante Termin des Baubeginns nicht eingehalten werden kann. Bauunternehmer vertrösten die Bauherren oftmals damit, dass sich der Baubeginn lediglich um eine kurze Dauer verzögern würde, derzeit Lieferengpässe mit Baumaterial bestehen würden oder sonstige Gründe vorliegen, die der Bauunternehmer nicht beeinflussen kann.

Fakt ist: Es besteht ganz klar der Eindruck, dass viele Bauunternehmer Bauverträge vorlegen, die der Bauherr sodann unterschreibt. Tatsächlich hat zu diesem Zeitpunkt der Bauunternehmer keinerlei Kapazitäten, um das Bauvorhaben auch realistisch umzusetzen. Die Bauverträge sind unterschrieben, der Bauherr hängt damit im wirksam geschlossenen Vertrag fest. Auch nach Vertragsschluss ausgesprochene Sonderwünsche des Bauherrn führen oftmals dazu, dass sich die Zeit der Bauausführung verlängert. Dies nimmt der Unternehmer zum Anlass, um seinen Bauverzug zu rechtfertigen und die Schuld von sich zu weisen.

Rechtlich besteht die Problematik überwiegend darin, dass im Vertrag keine verbindlich vereinbarten Vertragsfristen vereinbart werden. Dies bedeutet konkret, dass kein klarer Baubeginn des Bauvorhabens genannt ist, sondern lediglich vage und auslegungsfähige Klauseln, die einen konkreten Start des Bauvorhabens nicht erkennen lassen. Ein konkretes Datum für den Baubeginn oder das Bauende findet sich selten in den Verträgen, was ein klares Manko innerhalb der Verträge zulasten des Bauherrn darstellt. Darüber hinaus besteht die Problematik darin, dass der Bauherr jederzeit zwar das Recht zur Kündigung hat, der Bauunternehmer in diesen Fällen jedoch entgangenen Gewinn von bis zu 10% der Auftragssumme fordert.

Wie nehmen die aktuell teuren und knappen Baustoffe Einfluss auf den Bauablauf?

Die Thematik der mittlerweile durchschnittlich doppelt so teuren Baustoffe stellt alle baubeteiligten vor eine Herausforderung. Jedoch muss ebenfalls festgestellt werden, dass die jeweils aktuelle Lage überwiegend von Unternehmern ausgenutzt wird, um Preiserhöhungen zu rechtfertigen und diese durchzusetzen.
Während der Corona-Pandemie war diese stets die Begründung für alles: ob Bauverzug, mangelnde Fachkräfte oder nicht vorhandenes Baumaterial – die Pandemie wurde als Pauschal-Begründung für alle Schwierigkeiten herangezogen. Ebenso verhält es sich zu dem aktuellen Ukrainer-Konflikt. Auch dieser wird gerne als Begründung für Umstände, die grundsätzlich der Unternehmer zu vertreten hat, herangezogen.

In der Praxis bedeutet dies konkret, dass der Bauunternehmer Preiserhöhungen an den Bauherrn weitergeben möchte. Zumindest unternimmt dieser den Versuch, in der Praxis oftmals mit Erfolg. Viele Bauunternehmen versuchen, gestiegene Baukosten an den Kunden weiterzugeben, ohne hierzu das Recht zu haben.

Wir begleiten aktuell unterschiedlichste Bauvorhaben, bei denen die Parteien des Bauvertrages einen sogenannten Pauschalpreis vereinbart haben. Insbesondere bei diesem Vertragstyp trägt der Unternehmer das Risiko für die Verfügbarkeit und den Preis der Baustoffe. Bei einem solchen Pauschalpreisvertrag hat sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Unternehmer dazu verpflichtet, das Bauvorhaben zu einem Festpreis zu realisieren. Sofern innerhalb des Bauvertrages keine Ausnahmeregelungen vereinbart wurden, trägt der Unternehmer in den weit überwiegenden Fällen das Risiko der Preiserhöhung. Umstände höherer Gewalt oder sonstige Gegebenheiten, die den Unternehmer zur Preiserhöhung bzw. Weitergabe von gestiegenen Preisen berechtigen würde, liegen in den seltensten Fällen vor.

Wir empfehlen daher jedem Bauherrn, auf die Forderungen des Bauunternehmers nicht unmittelbar einzugehen, sondern das Recht und die Möglichkeiten des Unternehmers zuvor prüfen zu lassen, ob dieser etwaige gestiegene Baukosten weiterreichen darf.

Welche Möglichkeiten hat der Bauherr, um die geplante Bauzeit einzuhalten?

Der Bauherr hat von Beginn an die Möglichkeit, Maßnahmen zu unternehmen, die dafür sorgen, dass ein Bauablauf in Zukunft ohne – zumindest mit weniger – zeitlicher Verzögerung umgesetzt werden kann. Hierfür allein ist zwingend notwendig, dass die Vertragsgrundlage zwischen den Parteien klar und transparent ist.

Zur Vorbeugung und zur Vermeidung eines Bauverzugs möchte ich die wesentlichen Punkte wie folgt zusammenfassen:

– Vereinbaren Sie konkrete Ausführungsfristen und Fertigstellungstermine im Bauvertrag

– Vereinbaren Sie einen Bauzeitenplan mit dem Bauunternehmer; dieser sollte Fertigstellungs- und Endtermine für die einzelnen Gewerke enthalten

– Beginnen Sie den Bau erst nach Abschluss der Planung

– Vermeiden Sie zusätzliche Aufträge oder Sonderwünsche während der Bauausführung oder nach Vertragsschluss

Herr Streich, warum sorgen Ihre vorgenannten Punkte für einen besseren Bauablauf?

Sicherlich ist es so, dass auch bei Einhaltung meiner vorgenannten Punkte ein Bauverzug eintreten kann. Dieser ist auch mit einer guten Vertragsgrundlage oftmals nicht zu vermeiden.

Sofern die vorgenannten Punkte jedoch eingehalten werden, hat der Bauherr eine saubere rechtliche Grundlage, mit der er während der Bauphase arbeiten kann. Er kann unmittelbar Schadensersatzansprüche durchsetzen. Dem Bauunternehmer ist klar, dass verbindliche Vertragsinhalte insbesondere hinsichtlich der Fristen und Termine bestehen, an die er sich zu halten hat. Nach Ablauf dieser Fixtermine steht dem Bauherrn der Anspruch zu, Schäden und Aufwendungen ersetzt zu bekommen.

Eine gute vertragliche Grundlage kann nicht jeden Bauverzug vermeiden, dient jedoch dazu, Ansprüche des Bauherrn von Beginn an vollumfänglich zu berücksichtigen und eine Grundlage zu schaffen, die dem Bauherrn unterschiedliche Vorteile und die spätere Anspruchsdurchsetzung zu erleichtern. Denn es zeigt sich immer wieder, dass gerade diese Punkte dazu führen, dass sich das Bauvorhaben für den Bauherrn deutlich verteuert und er nicht imstande ist, diese Mehrkosten ersetzt zu bekommen.

Was sollte der Bauherr unternehmen, wenn ein Bauverzug droht?

Der Bauherr sollte stets eine entsprechende Dokumentation über die Bauausführung und etwaige Verzögerungen im Bauablauf führen. Sobald der Bauunternehmer im Leistungsverzug ist, sollte der Bauherr in schriftlicher Form zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistung auffordern. Der Bauherr sollte den Unternehmer ebenfalls unter Fristsetzung auffordern, die Baustelle mit ausreichend Arbeitskräften zu versehen.

Vermeiden Sie als Bauherr, lediglich ein einvernehmliches Gespräch zu führen oder darauf zu vertrauen, dass der Bauunternehmer künftig einen bereits eingetretenen Bauverzug wieder aufholen wird. Sicherlich empfiehlt es sich, den Dialog mit dem Unternehmer auf guter Basis zu fördern. Führen Sie als Bauherr hierüber jedoch entsprechende Aktennotizen oder Gesprächsprotokolle, die von beiden Seiten zu unterschreiben sind.

Je nach Sachlage kann der Bauherr in der Lage sein, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund (fristlos) zu kündigen. Dies beispielsweise dann, wenn der Unternehmer die Fortsetzung der Leistung von unberechtigten Zahlungen abhängig macht.

Zögern Sie als Bauherr nicht, von ihren rechtlichen Möglichkeiten zumindest in der Form Gebrauch zu machen, dass sie diese dem Unternehmer mitteilen. Dies zeigt zumindest auf, dass sie als Bauherr über ihre Rechte Bescheid wissen.

Welche Möglichkeiten hat der Bauherr, wenn das Bauvorhaben verzögert fertiggestellt wird?

Der Bauherr hat gegenüber dem ausführenden Bauunternehmer einen Anspruch auf Schadensersatz. Der Schadensersatzanspruch enthält alle Kosten und Aufwendungen, die durch den Bauverzug entstanden sind. In der Praxis sind dies regelmäßig Positionen, die ich wie folgt zusammenfassen möchte:

– Bereitstellungszinsen bei der finanzierenden Bank

– Zusätzlich zu leistende Miete bis zum Einzug in die neue Immobilie

– Kosten für den Rechtsanwalt, sofern dieser nach Bauverzug beauftragt wurde

– In vielerlei Hinsicht kleinere Positionen aus verschiedenen Bereichen

Bauherren haben tatsächlich relativ gute Chancen, ihre Ansprüche gegenüber dem Bauunternehmen durchzusetzen. Sie haben auch das Recht, ihre entstandenen Kosten mit der letzten Ratenzahlung an den Unternehmer zu verrechnen. Es muss jedoch schon gesagt werden, dass die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche letztendlich davon abhängt, wie gut der Bauherr den Bauverzug begründen und nachweisen kann. Hierzu möchte ich auf eben gesagte Ausführung verweisen, wonach es äußerst wichtig ist, bereits den Bauvertrag rechtssicher abzuschließen, damit weder Widersprüche noch auslegungsfähige Vertragsklauseln enthalten sind.

Wann ist die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs ausgeschlossen?

Im Grunde kann der Grundsatz festgehalten werden, dass dem Bauherrn immer dann Schadensersatzansprüche zustehen, wenn der Bauunternehmer diese auch zu vertreten hat. Die Risiken des Bauablaufs gehen hier grundsätzlich zulasten des Unternehmers. Sollte jedoch der Bauherr zusätzliche Leistungen während der Bauphase beauftragen, so verzögert sich der ursprünglich geplante Fertigstellungstermin zwangsläufig. Diesen Umstand hat der Unternehmer nicht zu vertreten, hierbei handelt es sich aus rechtlicher Sicht nicht um eine Verzögerung, die den Unternehmer zu einem Schadensersatz verpflichtet.

Was können Sie zuletzt jedem Bauherrn für sein Bauprojekt mit auf den Weg geben?

Gerne wiederhole ich mich hier an dieser Stelle: der Bauvertrag und die dazugehörigen Bauunterlagen dürfen keine Fehler oder Lücken aufweisen.

Ansonsten möchte ich jeden Bauherrn dazu ermutigen, mit dem Unternehmer transparent zu kommunizieren und seine Rechte offen anzusprechen. Der Bauunternehmer sollte schon Kenntnis darüber haben, dass der Bauherr seine Rechte kennt.

Auch der Gang zum Anwalt sollte für den Bauherrn keine allzu großen Hürden darstellen. Wir als Rechtsanwaltskanzlei für Immobilienrecht pflegen den Umgang mit unserer Mandantschaft dahingehend, dass es stets eine kostenfreie Ersteinschätzung gibt. Oftmals hilft die Beantwortung einfacher Fragestellungen vorab bereits dabei, spätere größere Streitigkeiten zu vermeiden. Wir möchten daher den Bauherrn auch dazu ermutigen, Kontakt zum Rechtsanwalt aufzunehmen, um auch lediglich kleinere Fragestellungen beantwortet zu bekommen.

Autor: Finn Streich

Rechtsanwalt und Partner

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