Sinn & Zweck von Abschlagszahlungen im Werkvertrag
Der Unternehmer bzw. Auftragnehmer eines Bauvertrages ist grundsätzlich vorleistungspflichtig. Dies bedeutet, dass der Unternehmer zunächst seine vertraglich vereinbarten Werkleistungen zu erbringen hat, bevor er seine Vergütung verlangen kann. So zumindest in der bisherigen Rechtsprechung und Gesetzeslage.
Seit der Reform des Werkvertragsrechts zum 01.01.2018 haben sich die Voraussetzungen zugunsten des Unternehmers geändert. Nach § 632 a BGB hat der Unternehmer nunmehr die Möglichkeit, Abschlagszahlungen auch dann zu verlangen, wenn diese nicht ausdrücklich zuvor vertraglich vereinbart worden sind.
Sinn und Zweck der Abschlagszahlungen ist es, den Unternehmer davor zu schützen, vollständig in Vorleistung gehen zu müssen. Er erhält durch die Neuregelung des BGB einen Anspruch darauf, eine Teilvergütung für bereits erbrachte Leistungen zu erhalten.
Voraussetzungen und Grenzen
Soweit die Parteien des Bauvertrages keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen haben, ist der Unternehmer berechtigt, nach § 632a BGB eine Abschlagszahlung vom Auftraggeber zu fordern. Voraussetzung für eine Abschlagszahlung nach § 632a BGB ist, dass der Unternehmer bzw. Auftragnehmer zumindest einen Teil seiner vertraglich vereinbarten Werkleistung erbracht hat. Hierfür ist erforderlich und ausreichend, dass der Unternehmer entweder einen Teil der vertraglich vereinbarten Bauleistung bereits erbracht hat (Leistungserbringung) oder aber die für den Auftrag notwendigen erforderlichen Baustoffe und Bauteile auf die Baustelle angeliefert und bereitgestellt hat (Eigentumsübertragung). Beide Umstände erfüllen die Voraussetzungen für eine Abschlagszahlung, die der Unternehmer bei entsprechendem Nachweis der Leistung fordern kann.
Die in der Praxis häufig gestellte Frage, wonach sich die Höhe der Abschlagszahlung richtet, lässt sich mittlerweile anhand des Gesetzes relativ konkret beantworten. Auf den früher maßgeblichen „Wertzuwachs“ auf der Baustelle wird nicht mehr abgestellt. Nach der Regelung des BGB darf der Unternehmer eine Abschlagszahlung fordern, deren Höhe sich am Wert der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistung richtet.
In der Praxis findet die Wertermittlung daher bei Vereinbarung eines Einheitspreisvertrages aufgrund der vorliegenden Leistungsbeschreibung und der ausgeführten Mengen statt. Im Rahmen einer Pauschalvereinbarung kann auf die vertraglichen Leistungspauschalen zurückgegriffen werden.
Ein Einheitspreisvertrag ist dann gegeben, wenn die Parteien durch Ermittlung eines Aufmaßes die vom Unternehmer erbrachten Mengen und Leistungen feststellen und diese durch vereinbarte Einheitspreise abrechnen. Ein Pauschalpreisvertrag hingegen liegt vor, wenn für die zu erbringende Leistung eine Pauschalsumme vereinbart worden ist, die für das vertraglich geschuldete Werk zu entrichten ist. Auf die tatsächlich erbrachten und geleisteten Mengen kommt es im Gegensatz zum Einheitspreisvertrages hierbei nicht an.
Praxishinweis
Sofern die Parteien einen Pauschalpreisvertrag vereinbaren, sollte dringend darauf geachtet werden, dass nicht lediglich eine Endsumme als Pauschalpreis vereinbart wird. Vielmehr sollten hinsichtlich einzelner Teilleistungen und Leistungsabschnitte (zum Beispiel für den Bereich Elektro, Trockenbau, Tiefbau, Malerleistungen) Leistungspauschalen definiert werden, damit keine Streitigkeit darüber entsteht, in welcher Höhe der Unternehmer eine Abschlagszahlung fordern darf.
Abschlagszahlungen beim Verbraucherbauvertrag – maximal 90% aus dem Vertrag
Hinsichtlich des Verbraucherbauvertrages wurden im Rahmen der Reform des Werkvertrages besondere Regelungen aufgenommen. Nach § 650m Abs. 1 BGB hat der Gesetzgeber eine Deckelung nach oben hinsichtlich der Abschlagszahlungen vorgesehen.
Der Unternehmer ist danach lediglich berechtigt, Abschlagszahlungen von maximal 90 % der vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung zu verlangen. Dies bedeutet, dass die geforderten Abschlagsrechnungen des Unternehmers in Summe maximal 90 % der vertraglichen Gesamtvergütung betragen dürfen, wobei hierin bereits die vereinbarten Nachtragsleistungen mit eingerechnet sind.
Sonderregelungen im Bauträgervertrag
Für den Bauträgervertrag hat der Gesetzgeber nach der Gesetzesreform ebenfalls Sondervorschriften in das BGB aufgenommen.
Ein Bauträgervertrag liegt gemäß § 650u Abs. 1 BGB vor, wenn sich der Unternehmer zur Errichtung oder zum Umbau eines Hauses oder Bauwerks sowie zur gleichzeitigen Eigentumsübertragung an diesem Grundstück verpflichtet hat. Es handelt sich hierbei um notariell beglaubigte Verträge, die zum einen die Bauleistungsverpflichtung enthalten. Zum anderen wird die Eigentumsübertragung am Grundstück auf den Käufer (den Auftraggeber) geregelt.
Kurz gesagt: Bringt der Unternehmer auch das Grundstück mit und überträgt er dieses an den Auftraggeber, so liegt ein Bauträgervertrag vor, für den die besonderen Regelungen der §§ 650u, 650v BGB gelten.
Da der Gesetzgeber die Rechte des Auftraggebers als Verbraucher besonders schützen möchte, kann der Unternehmer Abschlagszahlungen nach § 650v BGB lediglich dann vom Auftraggeber fordern, wenn dies durch eine gesonderte Verordnung im Gesetz geregelt ist. Eine solche gesetzliche Verordnung findet sich in den Regelungen der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV). Im Rahmen dieser Verordnung sind die entsprechenden Abschlagszahlungen gesetzlich normiert und festgehalten.
Die Regelungen der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) können vertraglich nicht abbedungen werden, sie sind daher zwingend geltendes Recht. Die Höhe der Teilzahlung richtet sich hierbei wiederum nach dem jeweiligen Baufortschritt, die Zahlungsmodalitäten im Einzelnen werden in § 3 Abs. 2 MaBV geregelt.
Danach kann der Unternehmer insgesamt 13 Teilzahlungen vom Auftraggeber fordern, deren Höhe sich am konkreten Bautenstand (Leistungsstand) bemisst. Die erste Teilzahlung beträgt hierbei 30 % und ist nach Beginn der Erdarbeiten (Planierung/ Aushub, NICHT bereits durch das Entfernen von Bäumen oder Büschen!) fällig.
Von den übrig verbleibenden 70 % der Gesamtzahlung kann der Unternehmer sodann entsprechende prozentuale Abschläge nach Rohbaufertigstellung sowie nach entsprechender Fertigstellung aller weiteren Rohinstallationen (zum Beispiel Heizungsanlage, Sanitäranlagen, Elektro etc.) fordern:
40 % der Gesamtsumme nach Rohbaufertigstellung, einschließlich Zimmererarbeiten,
8 % der Gesamtsumme für die Herstellung der Dachflächen und Dachrinnen,
3 % der Gesamtsumme für die Rohinstallation der Heizungsanlagen,
3 % der Gesamtsumme für die Rohinstallation der Sanitäranlagen,
3 % der Gesamtsumme für die Rohinstallation der Elektroanlagen,
10 % der Gesamtsumme für den Fenstereinbau, einschließlich der Verglasung,
6 % der Gesamtsumme für den Innenputz, ausgenommen Beiputzarbeiten
3 % der Gesamtsumme für den Estrich,
4 % der Gesamtsumme für die Fliesenarbeiten im Sanitärbereich,
12 % der Gesamtsumme nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe,
3 % der Gesamtsumme für die Fassadenarbeiten,
5 % der Gesamtsumme nach vollständiger Fertigstellung.
(Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag: „Abschlagszahlungen im Bauträgervertrag“)
Praxishinweis
In unserer über 30-jährigen Beratungspraxis hat sich immer wieder bestätigt, dass die überwiegenden Streitigkeiten darin bestehen können, dass völlig unklar ist, wann beispielsweise die Fertigstellung des Rohbaus, der Beginn der Erdarbeiten oder die Bezugsfertigkeit des Objekts gegeben ist.
Die Streitigkeiten bestehen in diesen Bereichen oftmals darin, dass ein Unverständnis über die Begrifflichkeiten besteht und der Unternehmer diese anders versteht als der Auftraggeber. Hierüber gibt es zwischenzeitlich durch die anerkannte Rechtsprechung hinreichend Rechtssicherheit und Klarheit.
In diesem Zusammenhang möchten wir Bauherren dringend empfehlen, vor Abschluss eines entsprechenden Bauträgervertrages ein ausführliches Beratungsgespräch wahrzunehmen. Dieses dient der Klärung von Begrifflichkeiten und dem Ausschließen von Unklarheiten oder sonstigen vorhandenen Widersprüchen/ Vertragslücken, um einen rechtlich sicheren Bauablauf gewährleisten zu können. Wir bieten jederzeit Termine an, in denen wir gemeinsam mit Bauherren einen vorliegenden Bauvertrag gemeinsam „auf Herz und Nieren“ untersuchen, sodass keine Fragen offen bleiben.
Fälligkeit der Abschlagszahlung
Die vom Unternehmer geforderte Abschlagszahlung wird in dem Moment fällig, indem er die mit der Abschlagsrechnung abgerechneten Leistung erbracht hat. Zudem ist erforderlich, dass er gegenüber seinem Auftraggeber einen entsprechenden Nachweis über die erbrachte Leistung vorliegt. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist die Abschlagszahlung nach § 271 BGB sofort fällig, der Auftraggeber hat diese daher unverzüglich zu leisten.
Die Fälligkeit der Abschlagszahlung ist auch dann gegeben, wenn die vom Unternehmer erbrachten Teilleistungen Mängel aufweisen. Selbst bei Vorliegen wesentlicher Mängel ist der Unternehmer berechtigt, eine entsprechende Abschlagszahlung zu fordern. Der Auftraggeber hingegen hat hierbei die Möglichkeit, die Zahlung eines angemessenen Teils zu verweigern. Ihm steht in diesem Zusammenhang ein Leistungsverweigerungsrecht zu, dessen Höhe sich dem Grundsatz nach auf das Doppelte der Mangelbeseitigungskosten bezieht.
Sollten die Mangelbeseitigungskosten beispielsweise einen Betrag von 5.000,00 € ausmachen, so wäre der Auftraggeber berechtigt, das Doppelte – mithin € 10.000,00 – im Rahmen seines Leistungsverweigerungsrechts einzubehalten. In diesem Fall ist die Rede vom sogenannten „Druckzuschlag„.
Das Vorliegen von Mängeln schließt daher die Fälligkeit der Abschlagszahlung nicht aus, beschränkt diese jedoch der Höhe nach auf den mangelfreien Teil der erbrachten Leistung.